Moderation: Isabelle Schlender (Institut für Berufsbildung, Bonn), Ernst Jünke (pro:connect e.V., Oldenburg), Antje Mehrtens-Hoffmann (Projekt „Start Guide Cuxland“, ABÖE e.V.)
Themenblock 1: Nachteilsausgleich und Gestaltung von Prüfungsaufgaben
- Ohne eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung kann aktuell ein Nachteilsausgleich aufgrund von Sprachbarrieren vor allem in der Prüfung nicht gewährt werden
- Während der Ausbildung besteht die Möglichkeit als Betrieb mittels sprachsensibler Gestaltung des Ausbildungsalltags Sprachbarrieren zu minimieren
- Im Rahmen der Prüfung muss trotz aller sprachlicher Vereinfachungen der fachliche Anspruch und die Fachsprache erhalten bleiben
Grundsätzlich liegt die Erstellung der Prüfungsaufgaben im Verantwortungsbereich eines Prüfungsausschusses. Je nach Beruf und Zuständigkeit können die Aufgaben jedoch auch von anderen Gremien erstellt werden:
- Der jeweilige Prüfungsausschuss erstellt die Prüfungsaufgaben.
- Die zuständige Stelle richtet einen Aufgabenerstellungsausschuss für den jeweiligen Beruf ein.
- Es gibt überregionale Aufgabenerstellungsinstitutionen, die für verschiedene Berufe Prüfungsaufgaben entwickeln.
- Federführend für einen bestimmten Beruf oder eine Region errichtet eine sogenannte „Leitkammer“ einen Fachausschuss, der die Aufgaben für einen bestimmten Beruf erstellt. Dabei kann sie mit einer überregionalen Aufgabenerstellungsorganisation zusammenarbeiten.
- Bspw. werden in Baden-Württemberg werden schriftliche Prüfungsaufgaben zentral vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) erstellt und ausgewertet.
Die zuständige Stelle legt in ihrer Prüfungsordnung fest, ob der Prüfungsausschuss die von anderen Gremien erstellten Aufgaben übernehmen muss. Die Gremien, die Prüfungsaufgaben erstellen, sind nach § 40 BBiG bzw. § 34 HwO zusammengesetzt. Sie bestehen wie die Prüfungsausschüsse aus Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie aus Lehrkräften von berufsbildenden Schulen (s. auch Leando | Wie kommt die Aufgabe in die Prüfung?)
Kurzum der Prüfungsausschuss oder Aufgabenerstellungsausschuss etc. kann entscheiden Prüfungsaufgaben sprachsensibel/vereinfacht zu erstellen oder dies bei entsprechenden Auftragnehmern in Auftrag geben: z.B. Leando — Portal für Ausbildungs- und Prüfungspersonal; TOP.KI – Inklusive berufliche Prüfungen ohne Sprachbarrieren durch Textoptimierung mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz
Diskussionsergebnisse:
Die Klärung von sprachsensiblen Abschlussprüfungen mit den jeweiligen Prüfungsausschüssen vor Ort könnte für den mündlichen Teil der Abschlussprüfung möglich sein. Die schriftlichen Abschlussprüfungen der IHK z.B. sind landesweit geregelt und lassen bis jetzt keine sprachsensiblen Aufgaben bzw. den Einsatz von Übersetzung-Apps zumindest in Niedersachsen zu.
Die Präsentation zum Themenblock 1 finden Sie hier.
Themenblock 2: Teilzeitausbildung
Teilzeitberufsausbildungen bieten Flexibilität und beugen einer Überforderung der Auszubildenden vor. Es gibt unterschiedliche Gründe, die für eine Teilzeit-berufsausbildung sprechen. Vor allem das Komplettmodell kann für Menschen mit Fluchtgeschichte interessant sein:
- Verlängerung der Ausbildungsdauer
- Möglichkeit, Sprachkurse parallel zu besuchen
- Möglichkeit des Zuverdienstes
Diskussionsergebnisse:
- Eine Teilzeitausbildung für einzelne Auszubildende zu organisieren, erfordert eine gute Abstimmung zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule.
- Für Auszubildende mit Fluchthintergrund kann eine Teilzzeitausbildung im Einzelfall eine Lösung für den parallelen Besuch von Sprachkursen sein bzw. zusätzliche Zeit für weitere Verdienstmöglichkeiten bieten.
Themenblock 3: Ausbildungsprojekt 1+2
Das Ausbildungsprojekt 1+2 verbindet eine betriebliche Teilzeitausbildung, den Besuch der Berufsschule sowie eine zusätzliche Deutschsprachförderung einschl. Fachsprache. Es ist ein integratives Projekt für die 2‑jährigen Ausbildungsberufe Fachlagerist*in und Verkäufer*in auf Basis einer engen Verzahnung der beiden Lernorte Betrieb und Schule. Die Ausbildungsdauer ist auf drei Jahre ausgedehnt. Ein multiprofessionelles Team, kurze Kommunikationswege und ein regelmäßiger Austausch zwischen den Akteuren sind wichtige Gelingensbedingungen.
Diskussionsergebnisse:
- Weite Anfahrtswege im ländlichen Bereich sind ein generelles Problem. Ein hilfreicher Wohnungswechsel in eine andere Gebietskörperschaft wird immer wieder durch die zuständigen Behörden blockiert.
- Trotz eines 3‑jährigen Ausbildungsvertrags wird oft der Aufenthaltstitel immer nur für drei Monate gewährt. Dies stellt große Unsicherheiten für den/die Auszubildende/n und den Betrieb dar.
- Externe Anbieter von Sprachförderkursen können oft keine berufsspezifische Sprachförderung anbieten.
- Entscheidend für eine erfolgreiche Integration von Menschen mit Fluchthintergrund in Ausbildung bzw. Arbeit sind u.a. ein gut funktionierendes Netzwerk und genügend Zeit für den Integrationsprozess.
Die Präsentation zu Themenblock 2 +3 finden Sie hier.
