In immer mehr Branchen macht sich in Deutschland der Fachkräftemangel bemerkbar. Gleichzeitig sorgen vor allem Beschäftigte aus den östlichen EU-Mitgliedsstaaten für Entlastung auf dem Arbeitsmarkt.
In ihrer Fachkräfteengpassanalyse 2021 ermittelte die Bundesagentur für Arbeit zum Ende des Jahres 2020 in 69 Berufsgattungen einen Engpass (in 2017 waren es noch 25 Berufsgattungen). Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) stellte 2021 der Fachkräftemangel auch für die deutschen Unternehmen neben den Unsicherheiten in der Energie- und Rohstoffversorgung sowie Lieferkettenproblemen das größte Geschäftsrisiko dar. Im Rahmen der Studie befragte der DIHK 23.000 Betriebe – 51 % davon konnten offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen, weil sie keine passenden Arbeitskräfte fanden. Damit liegt der Anteil an Unternehmen mit Fachkräftelücken sogar über dem Vor(-Corona-)Krisenniveau (2019: 47 %). Die größten Stellenbesetzungsprobleme bei qualifizierten Arbeitskräften verzeichnete die Bauwirtschaft (66 %). Den stärksten Engpassanstieg gegenüber vorangegangenen Erhebungen gab es in der Industrie.
Doch auch in anderen Bereichen entwickelt sich der Bedarf an ausgebildetem Personal zu einer Notlage. Für Sozial- und Erziehungsberufe beziffert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion die Fachkräftelücke im Zeitraum 2020 ‑2025 auf fast 100.000 Personen.
Auch in der Transport- und Logistikbranche nimmt der Mangel an Berufskraftfahrer*innen (BKF) existenzbedrohende Formen an. Dies zeigte sich in einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses am 18. Mai 2022. Die anwesenden Expertinnen und Experten mahnten insbesondere bessere Arbeitsbedingungen und mehr gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf an. Nach Meinung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und von Fahrervertreterinnen und –vertretern sei jedoch vor allem das niedrige Gehalt für den Personalmangel verantwortlich.
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung indes forderte zur Behebung des Fachkräfteengpasses die Anerkennung von Berufskraftfahrerqualifikationen aus Drittstaaten bei vergleichbarem Qualifikationsniveau voranzutreiben.
Laut einer neuen Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus April 2022 arbeiteten bereits im Jahr 2020 107.000 Menschen aus osteuropäischen EU-Staaten* als BKF in Deutschland. Noch mehr Osteuropäer*innen arbeiteten nur in der Post- und Lagerwirtschaft (170.000). Viele von ihnen sind als Fachkräfte in Deutschland tätig, allerdings unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Dabei seien die Beschäftigten aus den osteuropäischen EU-Ländern im Vergleich zu Deutschen überproportional oft in Berufsgruppen mit Fachkräfteengpässen vertreten.
Und damit tragen sie zu einer Entlastung des Arbeitsmarktes bei, so die Forschenden.
Eine Übersicht über Beschäftigtenzahlen und Schwerpunktbranchen von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland bietet zudem die Website des Mediendienst Integration.
* Polen, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn