Die Bundesregierung verfolgt das Ziel „die gute Fachkräftebasis der Unternehmen und Betriebe in Deutschland zu sichern und zu erweitern“. Dazu sollen in Zukunft mehr Menschen aus Drittstaaten die Möglichkeit haben, in Deutschland zu arbeiten – auch ohne einen hierzulande anerkanntem Hochschul- oder Berufsabschluss.
Im Februar 2023 haben nun die Bundesministerien für Inneres und Heimat sowie für Arbeit und Soziales einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung und einen Verordnungsentwurf u.a. zum Arbeitsmarktzugang ausländischer Arbeitnehmer*innen vorgelegt.
Wir haben die wesentlichen Änderungen im Folgenden für Sie zusammengefasst:
- Fachkräfte und IT
Akademische Fachkräfte sollen jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können (§ 18b AufenthG‑E) und nicht – wie bisher – nur eine, zu der ihre erworbene Qualifikation sie befähigt. Außerdem sollen die Rahmenbedingungen für Personen mit einer Blauen Karte EU u.a. durch eine niedrigere Mindestgehaltsschwelle sowie durch Erleichterungen beim Arbeitgeberwechsel und beim Familiennachzug verbessert werden (§§ 18g Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 4; 29 Abs. 1 S. 2 AufenthG‑E). Dabei sollen auch international Schutzberechtigte sowie IT-Spezialist*innen ohne Hochschulabschluss mit bestimmten non-formalen Qualifikationen die Blaue Karte EU erhalten können (§§ 19f Abs. 2; 18g Abs. 2 AufenthG‑E).
Ferner wird ein größeres Ermessen eröffnet, im Einzelfall von der Voraussetzung der Alterssicherung abzusehen (§ 1 Abs. 2 BeschV‑E). Diese ist u.a. bei über 44-jährigen Fachkräften, die unterhalb einer bestimmten Gehaltsgrenze verdienen sollen, Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). - Anerkennungsverfahren
Es soll eine neue Aufenthaltserlaubnis (§ 16d Abs. 3a AufenthG‑E; § 2a BeschV‑E) zur Durchführung des Verfahrens zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Deutschland eingeführt werden. Voraussetzungen sind u.a. eine sog. Anerkennungspartnerschaft mit einem Arbeitgeber und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 GER. - Falls die erforderlichen Unterlagen für die Feststellung der Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation nicht vollständig vorlegt werden können, ist eine bis zu sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis zur Durchführung einer Qualifikationsanalyse möglich. Während dieser Zeit sollen die maßgeblichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen werden (§ 16d Abs. 6 AufenthG‑E). Dies setzt jedoch u.a. voraus, dass eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation, die zu einer qualifizierten Beschäftigung befähigt, glaubhaft gemacht wird.
- Beschäftigung von „Nichtfachkräften“
Personen, die mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen in ihrem Herkunftsland staatlich anerkannten mindestens zweijährigen Berufsabschluss haben, kann ohne Anerkennung des Abschlusses eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sie ein Arbeitsplatzangebot haben, dessen Gehalt zumindest bei fehlender Tarifbindung mindestens 45 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt (§ 19c Abs. 2 AufenthG; § 6 Abs. 1 BeschV‑E). - Pflegehilfskräfte ohne qualifizierte, also mindestens zweijährige Berufsausbildung (§ 2 Abs. 12a AufenthG), können künftig eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie über eine inländische Berufsausbildung als Pflegehilfskraft oder eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation verfügen, die als zu einer inländischen Berufsausbildung als Pflegehilfskraft gleichwertig anerkannt wurde (§§ 19c Abs. 1 AufenthG; 22a BeschV‑E).
- Darüber hinaus wird für alle Beschäftigungssektoren wird ein kontingentierter Arbeitsmarktzugang für kurzzeitige Beschäftigungen von Arbeitskräften unabhängig von einer Qualifikation geschaffen: Bei einer Beschäftigung von i.d.R. mindestens 30 Wochenstunden kann eine Aufenthaltserlaubnis von max. sechs Monaten innerhalb von zwölf Monaten erteilt werden (§ 19c Abs. 1 AufenthG; § 15d BeschV‑E). Voraussetzung ist u.a., dass die Beschäftigung bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber erfolgt.
- Die Westbalkanregelung wird entfristet und das Kontingent von 25.000 auf 50 000 Zustimmungen der Bundesagentur für Arbeit jährlich erhöht (§ 26 Abs. 2 S. 1 und 3 BeschV‑E)
- Arbeitsplatzsuche (Chancenkarte)
Es besteht die Möglichkeit für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis zur Suche nach einer Erwerbstätigkeit oder zur Suche nach Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zu erhalten (§ 20a AufenthG‑E). Hierzu wird u.a. auf Basis eines Punktesystems eine Chancenkarte eingeführt, die auch Probearbeiten oder Nebenbeschäftigungen ermöglicht. Zu den Auswahlkriterien gehören Sprachkenntnisse, Berufsqualifikation, Alter und Deutschlandbezug. - Ausbildungs- und Bildungsmigration
Vor der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung erfolgt keine Vorrangprüfung mehr (§ 8 Abs. 1 BeschV‑E). Schülerinnen und Schulabsolventinnen aller Schularten im Herkunftsland mit Deutschkenntnissen von B1 GER können künftig Kurzpraktika von bis zu sechs Wochen absolvieren (§ 15 Nr. 8 BeschV‑E).
Außerdem soll die Bildungsmigration weiter erleichtert werden. So soll die Lebensunterhaltssicherung während eines Studiums und eines Deutschkurses, die für die entsprechende Aufenthaltserlaubnis Erteilungsvoraussetzung ist, erleichtert werden. Hierzu soll eine Nebenbeschäftigung in größerem Umfang erlaubt werden (§§ 16b Abs. 3; 16f Abs. 3 S. f Aufenth‑E).
10. Verfahren
Die Fälle, in denen Auslandsvertretungen vor Erteilung eines Visums zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung die Ausländerbehörden zwecks Einholung der Zustimmung beteiligen müssen, werden deutlich reduziert (§ 31 Abs. 1 S. 1 AufenthV‑E).
Kurzbewertung
Es bleibt letztlich abzuwarten, ob durch die vorgeschlagenen Änderungen eine deutliche Verkürzung der Verfahrensdauern erreicht werden kann und die Zahl der neu zugewanderten Fach- und Arbeitskräfte signifikant erhöht wird. Die Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung nach dem Referentenentwurf sind jedenfalls hoch komplex und berücksichtigen inländische „Potentiale“ – die durch verstärkte Bemühungen zur Aus- und Weiterbildung von bereits hier lebenden Zugewanderten erweitert werden könnten – nur am Rande. Auch aus Wirtschaftsverbänden – insbesondere aus dem Mittelstand – kommt Kritik an der hohen Komplexität.
Bislang basiert die Zuwanderung von Arbeitskräften auf dem am 1. März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (vgl. Arbeitshilfe 6 Arbeitskräfteeinwanderung). Bereits im letzten Herbst hatte die Bundesregierung die Grundzüge für die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes in einem Eckpunktepapier veröffentlicht (vgl. auch die erste Einschätzung der ZBS AuF III hierzu).
Wie geht es weiter?
Im nächsten Schritt wird die Bundesregierung einen Kabinettsentwurf für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz entwickeln, der dann in den Bundestag eingebracht wird. Wir halten Sie hierzu weiter auf dem Laufenden.