+++ Key­note: Zehn Jah­re Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Geflüch­te­ten — Wo ste­hen wir und wo wol­len wir hin? +++

Von Dr. Mohi­ni Lok­han­de (SVR Inte­gra­ti­on und Migra­ti­on), Keynote

Geflüch­te­te kön­nen einen wich­ti­gen Bei­trag zur Redu­zie­rung des Fach­kräf­te­be­darfs leis­ten. Den­noch fällt vie­len der Ein­stieg in den Arbeits­markt zunächst schwer. Zuletzt wur­de auch in der öffent­lich-gesell­schaft­li­chen Debat­te eine zügi­ge­re Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on angemahnt.

Ein Blick zurück auf die Kohor­te, die in den Jah­ren um 2015 nach Deutsch­land geflüch­tet ist, zeigt, dass die Beschäf­ti­gungs­quo­ten ins­ge­samt über die Zeit kon­ti­nu­ier­lich ange­stie­gen sind. Auch der Anteil der Geflüch­te­ten in Fach­kraft­tä­tig­kei­ten hat im Lau­fe der Zeit wei­ter zuge­nom­men.Die Geflüch­te­ten sind über­wie­gend in Eng­pass- und sys­tem­re­le­van­ten Beru­fen tätig (Brücker/Jaschke/Kosyakova 2025). Aller­dings gelingt nicht allen Zuge­wan­der­ten glei­cher­ma­ßen der Anschluss auf dem Arbeits­markt. Frau­en und ins­be­son­de­re Müt­ter sowie weni­ger gebil­de­te und älte­ren Per­so­nen fällt der Ein­stieg schwe­rer. 

Gleich­zei­tig wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt diver­se Maß­nah­men kon­zi­piert und erprobt, sowie neue Struk­tu­ren und Netz­wer­ke auf­ge­baut, die sich för­der­lich auf die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Geflüch­te­ten aus­ge­wirkt haben. Dazu gehö­ren zunächst eine Rei­he recht­li­cher Ände­run­gen seit 2015, die den Zugang zum Arbeits­markt für Asyl­su­chen­de mit guter Blei­be­per­spek­ti­ve und Gedul­de­te wei­ter geöff­net haben, z. B. das Beschäf­ti­gungs­för­de­rungs­ge­setz, eine Libe­ra­li­sie­rung des Arbeits­ver­bots und der Weg­fall der Vor­rang­prü­fung. Zudem wur­den Mög­lich­kei­ten für einen Spur­wech­sel geschaf­fen. Im Gegen­satz dazu wur­de mit der Wohn­sitz­auf­la­ge 2016 aller­dings eine Rege­lung ein­ge­führt, die als eher hem­mend für die Erwerbs­in­te­gra­ti­on gilt.

Deutsch­land ver­folg­te lan­ge den „Spra­che zuerst“-Ansatz und setz­te zunächst auf umfas­sen­de sprach­li­che und fach­li­che Qua­li­fi­zie­rung, anders als vie­le ande­re euro­päi­sche Staa­ten. Dazu gehö­ren Inte­gra­ti­ons- und Berufs­sprach­kur­se, sowie viel­fäl­ti­ge Maß­nah­men zur Kom­pe­tenz­fest­stel­lung und zur Aus­bil­dungs- bzw. Arbeits­markt­vor­be­rei­tung. Wäh­rend in den ers­ten Jah­ren vie­le Maß­nah­men spe­zi­fisch für die Ziel­grup­pe kon­zi­piert wur­den, wer­den Geflüch­te­te inzwi­schen eher in Maß­nah­men des Regel­sys­tems inte­griert. Eine Her­aus­for­de­rung bleibt wei­ter­hin die Aner­ken­nung aus­län­di­scher Berufs­qua­li­fi­ka­tio­nen. Die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on wur­de zudem durch den Auf­bau von Netz­wer­ken und inte­grier­ten Ver­wal­tungs­ein­hei­ten geför­dert. Schließ­lich wur­de 2023 mit dem Job­tur­bo-Pro­gramm der Ansatz zur Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on fle­xi­bi­li­siert: Die Inte­gra­ti­ons­för­de­rung ori­en­tiert sich zwar wei­ter­hin am Sprach­er­werb und damit am Ziel nach­hal­ti­ger Beschäf­ti­gungs­per­spek­ti­ven; durch frü­he Ver­mitt­lungs­be­stre­bun­gen, auch in Hel­fer­tä­tig­kei­ten, wer­den aller­dings nun auch Ele­men­te eines „Arbeit zuerst“-Ansatzes aufgegriffen.

Im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt haben sich die Ansät­ze zur Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Geflüch­te­ten somit stark wei­ter­ent­wi­ckelt, vie­le haben sich bewährt. Aller­dings besteht auch künf­tig Hand­lungs­be­darf (vgl. SVR 2025: Kap. B.2):

  1. Eine Fle­xi­bi­li­sie­rung der Inte­gra­ti­ons­an­sät­ze wird als sinn­voll erach­tet. Die sprach­li­che und fach­li­che Wei­ter­qua­li­fi­zie­rung soll­te jedoch bei­be­hal­ten wer­den, ins­be­son­de­re bei schlech­ter Wirtschaftslage.
  2. Der Fokus muss ver­stärkt dar­auf lie­gen, Aner­ken­nungs­ver­fah­ren zu ver­ein­fa­chen und zu beschleu­ni­gen, ohne Qua­li­täts­stan­dards zu senken.
  3. Der Zugang zu Berufs­sprach­kur­sen und Qua­li­fi­zie­rungs­maß­nah­men soll­te stan­dard­mä­ßig gewähr­leis­tet werden.
  4. Geflüch­te­te soll­ten stär­ker an ihr erlern­tes Berufs­feld ori­en­tiert wer­den. Es bedarf mehr Pro­gram­me, die sys­te­ma­tisch und berufs­be­glei­tend durch Nach­qua­li­fi­zie­rung an Tätig­kei­ten auf Experten‑ bzw. Spe­zia­lis­ten­ni­veau heranführen.
  5. Die spe­zi­fi­schen Her­aus­for­de­run­gen geflüch­te­ter Frau­en soll­ten geziel­ter adres­siert werden.
  6. Schließ­lich ist es wich­tig, die Ansät­ze zur Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Geflüch­te­ten zu eva­lu­ie­ren und Wirk­fak­to­ren zu identifizieren.”

Die Prä­sen­ta­ti­on zur Key­note fin­den Sie hier.

Lite­ra­tur­hin­wei­se:

  • Brü­cker, Herbert/Jaschke, Philipp/Kosyakova, Yuli­ya 2025: 10 Jah­re Flucht­mi­gra­ti­on 2015: Haben wir es geschafft? Eine Ana­ly­se aus Sicht des Arbeits­mark­tes Kurz­be­richt 17/2025, Nürn­berg (Link).
  • SVR 2025: Refor­men, die wir­ken? Die Umset­zung von aktu­el­len Migra­ti­ons- und Inte­gra­ti­ons­ge­set­zen. Jah­res­gut­ach­ten 2025, Ber­lin (Link).