Der kürzlich geschlossene Koalitionsvertrag der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP planteinen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik, der „einem modernen Einwanderungsland gerecht wird“. Wir haben für Sie die wichtigsten Vorhaben im Kontext der Arbeitsmarktintegration und Fachkräftesicherung zusammengestellt:
Beendigung von Kettenduldungen
Die bisherige Praxis der sog. Kettenduldungen soll beendet werden. Hierzu soll ein Aufenthaltsrecht auf Probe geschaffen werden: wer am 1. Januar 2022 seit fünf Jahren in Deutschland lebt, nicht straffällig geworden ist und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt, soll ein Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten können. Diese Zeit sollen die Betroffenen nutzen, um die übrigen Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht, etwa für eine Aufenthaltserlaubnis wegen nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG, zu erfüllen. Dabei geht es insbesondere um die Sicherung des Lebensunterhalts durch eine Erwerbstätigkeit. An dieser Stelle können auch insb. auch die nds. „Start Guides“ und andere Arbeitsmarktprojekte unterstützen.
Neue Aufenthaltserlaubnis während der Ausbildung
Um Geduldeten in der Ausbildung und ihren Arbeitgeber*innen mehr Rechtssicherheit zu geben, soll die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG durch eine Aufenthaltserlaubnis ersetzt werden.
Entfristung der Beschäftigungsduldung
Die Beschäftigungsduldung, ein ursprünglich nur bis Ende 2023 geplantes Aufenthaltspapier, soll entfristet und „realistisch und praxistauglicher“ gefasst werden. Die Einzelheiten werden jedoch offengelassen. Gegenwärtig können Geduldete diese Duldung für 30 Monate erhalten, wenn sie seit 18 Monate in Vollzeit arbeiten und zahlreiche weitere Voraussetzungen erfüllen, vgl. hierzu die ZBS AuF III — Arbeitshilfe 4 „Beschäftigungsduldung“).
Erleichterung bei Bleiberechtsregelungen
Anders als bislang nach acht Jahren für Alleinstehende und nach sechs Jahre für Familien soll eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG künftig nach sechs bzw. vier Jahren erteilt werden. Gut integrierte junge Menschen haben jetzt bis zum Alter von 27 Jahren die Chance, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG zu erhalten. Voraussetzung ist u. a., dass sie sich seit mindestens drei Jahren in Deutschland aufhalten. Bislang müssen sie hierzu seit vier Jahren hier leben und unter 21 Jahre alt sein. Auch hier bleibt noch abzuwarten, wie die weiteren Erteilungsvoraussetzungen ausgestaltet werden. Eine Übersicht zu den gegenwärtigen Möglichkeiten der Aufenthaltssicherung finden Sie in der ZBS AuF III Arbeitshilfe 5 „Aufenthaltssicherung“.
Abschaffung von Arbeitsverboten
Der Koalitionsvertag will Arbeitsverbote für bereits in Deutschland lebende Menschen abschaffen. Dies hätte zu Folge, dass alle Geflüchteten aus den sog. sicheren Herkunftsstaaten (die Westbalkanstaaten, Ghana und Senegal) sowie Personen mit einer Duldung, bei denen die Ausländerbehörde von einer fehlenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung ausgeht, die Möglichkeit haben, eine Beschäftigung zu auszunehmen. Auch die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, 2019 eingeführt und mit einem Arbeitsverbot verbunden, soll gestrichen werden. Wenn Geduldete nicht zur Klärung ihrer Identität beitragen, wird der Zeitraum der Duldung allerdings nicht für ein Bleiberecht angerechnet.
Neuerungen bei der Fachkräfteeinwanderung
Der Koalitionsvertrag betont, dass Deutschland mehr Arbeitskräfteeinwanderung braucht. Hierzu soll das Einwanderungsrecht weiterentwickelt werden. Geplant sind u.a. die Ausweitung der Blaue Karte EU auf nicht-akademische Berufe sowie die Entfristung der sog. Westbalkanregelung. Diese Regelung ermöglicht es Arbeitnehmer*innen u.a. aus Albanien oder Bosnien-Herzegowina, auch ohne einen anerkannten Studien- oder Ausbildungsabschluss in Deutschland zu arbeiten.
Neben dem bestehenden Einwanderungsrecht soll eine Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems als eine zweite Säule eingeführt werden.
Ergänzend sollen Hürden bei der Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse abgesenkt sowie die Visavergabe beschleunigt und verstärkt digitalisiert werden.
Öffnung der Integrationskurse
Die neue Bundesregierung will allen Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse anbieten. Die Kurse sollen passgenau und erreichbar sein sowie die Bedingungen für Kursträger, Lehrende und Teilnehmende verbessern . Gegenwärtig ist der Zugang zu Integrationskursen eingeschränkt. So können Asylsuchende, die nach dem 31. Juli 2019 eingereist sind, nur dann einen Integrationskurs besuchen, wenn sie aus Eritrea, Somalia oder Syrien kommen. Geduldeten ist eine Teilnahme nur möglich, wenn sie eine Ermessensduldung haben.