Um den Jahreswechsel hat der Gesetzgeber diverse Gesetzes-vorhaben mit Auswirkungen auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten beschlossen. Konkret handelt es sich um das Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes, das Gesetz zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten sowie das demnächst in Kraft tretende sog. Rückführungsverbesserungsgesetz. Neben anderen einschneidenden Veränderungen – wie der Verlängerung des Grundleistungsbezugs nach § 3 AsylbLG von 18 auf 36 Monate – betreffen die Neuregelungen die Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen sowie die Möglichkeiten, den Aufenthalt durch Ausbildung oder Beschäftigung zu sichern. Wie gewohnt, fassen wir für Sie die neue Rechtslage in kompakter Form zusammen:
Schnellerer Arbeitsmarktzugang in der EAE
Personen mit einer Aufenthaltsgestattung, die noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) wohnen müssen, können jetzt sechs Monate nach der Asylantragstellung eine Beschäftigungserlaubnis erhalten. Bislang war dies erst nach neun Monaten möglich. Dies betrifft allerdings nur kinderlose Personen. Familien mit minderjährigen Kindern sind ohnehin nach sechs Monaten auf die Kommunen zu verteilen.
Personen aus Georgien und Moldau erhalten ein Arbeitsverbot
Da Georgien und die Republik Moldau jetzt sog. sichere Herkunftsstaaten sind, besteht für Personen mit Aufenthaltsgestattung oder Duldung aus diesen Ländern jetzt i.d.R. ein Arbeitsverbot. Dasgilt allerdings nicht für Personen, die bis 30.08.2023 einen Asylantrag gestellt oder sich ohne Asylantragstellung an diesem Tag hier geduldet aufgehalten haben.
Erteilung der Beschäftigungserlaubnis keine Ermessensentscheidung mehr
Besteht kein Arbeitsverbot und hat die Bundesagentur für Arbeit — sofern erforderlich — zugestimmt, liegt nach der Neuregelung bei Personen mit einer Duldung die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde. Nur bei atypischen Sachverhalten kann diese abgelehnt werden. Der jetzt bundesweit eingeführte Regelerteilungsanspruch soll aber nicht gelten, wenn konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen. In diesen Fällen bleibt es bei der Ermessensentscheidung.
Veränderte Fristen bei der Beschäftigungsduldung
Die ursprünglich nur bis Ende 2023 geltende Regelung zur Beschäftigungsduldung ist entfristet worden. Zudem gibt es einige Erteilungserleichterungen:
So können jetzt alle Personen begünstigt werden, die bis 31.12.2022 eingereist sind (bisheriger Stichtag war der 01.08.2018). Abhängig vom Einreisedatum muss jetzt die Identitätsklärung innerhalb folgender Fristen erfolgt sein:
- bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung, wenn die Einreise bis zum31. Dezember 2016 oder die Beantragung bis zum 31. Dezember 2024 erfolgt ist,
- in allen anderen Fällen bis zum 31. Dezember 2024
Wichtig: Die Fristen gelten wie bisher als gewahrt, wenn die erforderliche und zumutbare Mitwirkung rechtzeitig erfolgte, die Identität aber erst nach Fristablaufgeklärt werden konnte, sofern die Person dies nicht zu vertreten hat. Ist das nicht der Fall, kann die Beschäftigungsduldung nach wie vor nach Ermessen erteilt werden.
Verkürzte Vorbeschäftigungszeiten bei der Beschäftigungsduldung
Die Dauer der erforderlichen sozialversicherungspflichtigen Vorbeschäftigung wurde von 18 auf 12 Monate gesenkt. Zudem reichen nun 20 anstatt 35 Wochenarbeitsstunden aus. Die vollständige Lebensunterhaltsicherung durch eine Beschäftigung in den vergangenen zwölf Monaten bleibt allerdings auch künftig Erteilungsvoraussetzung, sodass Beschäftigte im Niedriglohnbereich von der Verkürzung der Wochenarbeitszeit u.U. nicht werden profitieren können.
Ausbildungsaufenthaltserlaubnis und Ausbildungsduldung
Bereits im Sommer 2023 war die Schaffung einer Ausbildungsaufenthaltserlaubnis für ausreisepflichtige Personen nach § 16g AufenthG beschlossen worden (Inkrafttreten am 01.03.2024). Für diesen Aufenthaltstitel müssen zum einen die Erteilungsvoraussetzungen für eine Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) vorliegen, also die Aufnahme einer betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung und die Identitätsklärung zu bestimmten Stichtagen (s. auch ZBS AuF III Arbeitshilfe Nr. 5 „Ausbildungsduldung“). Zum anderen müssen aber auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für Aufenthaltstitel nach § 5 Abs. 1 AufenthG erfüllt sein, wie insbesondere die Lebensunterhaltssicherung. Dies ist bei einer schulischen Berufsausbildung ohne Ausbildungsvergütung mangels Zugangs zu BAföG-Leistungen im Regelfall jedoch nicht erfüllbar. Um schulische Berufsausbildungen, die vor allem im Gesundheits‑, Pflege- und Sozialbereich – also in Branchen mit erheblichem Fachkräftemangel – angeboten werden, nicht wegen der fehlenden Sicherheit vor einer Abschiebung erheblich unattraktiver zu machen, wurde jetzt beschlossen, die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenhtG, anders als ursprünglich vorgesehen, nicht abzuschaffen.
Wichtig: Für Personen, die während einer betrieblichen Berufsausbildung Berufsausbildungsbeihilfe beziehen, gilt nach § 16g Abs. 10 S. 3 AufenthG eine Ausnahmeregelung. Demnach gefährdet der ergänzende Bezug von Leistungen nach SGB II die Ausbildungsaufenthaltserlaubnis nicht.
Neuer „Mini-Spurwechsel“
Seit 23.12.2023 besteht eine neue Spurwechseloption, um aus der Fluchtmigration in eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken zu wechseln. Voraussetzungen hierfür sind die Rücknahme des Asylantrags beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die auch während des Klageverfahrens möglich ist, und eine Einreise vor dem 29.03.2023. In diesen Fällen ist nun die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit Berufsausbildung (§18a AufenthG)und für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung (§ 18b AufenthG) möglich. Alle Personen mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen können ab 01.03.2024 ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis erhalten (§ 19c Abs. 2 AufenthG; § 6 BeschV). Bislang gab es diese Regelung nur für Beschäftigte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Die hier beschriebene Spurwechselmöglichkeit kommt auch für diesen Personenkreis in Betracht. Zu den weiteren Erteilungsvoraussetzungen für die hier genannten Aufenthaltstitel siehe unsere ZBS AuF III Arbeitshilfe Nr. 6 „Arbeitskräfteeinwanderung“.