„Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das!“ - Gut fünf Jahre ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 31. August 2015 auf der Bundespressekonferenz das bis heute kontrovers diskutierte Leitbild der deutschen Flüchtlingspolitik formulierte.
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) unterzieht nun den Verlauf der Arbeitsmarktintegration von zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland eingereisten Flüchtlingen einer detaillierten Analyse. Als Datengrundlage der Studie dienten die Ergebnisse der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von schutzsuchenden Menschen in Verknüpfung mit weiteren Prozessdaten der BA.
Unter dem Strich ging die Arbeitsmarktintegration der seit 2013 nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie relativ schnell voran. Laut IAB sind immerhin 55 % derjenigen Geflüchteten, die bis Ende 2019 seit mindestens fünf Jahren in Deutschland lebten, zu diesem Zeitpunkt einer Beschäftigung nachgegangen.
Um das bislang erst in Teilen aktivierte Beschäftigungspotenzial und die oft hohen Bildungsaspirationen von geflüchteten Menschen noch besser auszuschöpfen, empfehlen die Autor*innen der Studie strukturelle Hürden beim Erwerb von Berufsabschlüssen abzubauen. Zudem sollten die Bemühungen um die Gewinnung von geflüchteten Frauen für den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt von Politikmaßnahmen (z.B. verbesserte Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder ein erleichterter Zugang zur Therapie psychischer Erkrankungen) gerückt werden.
Die Studie enthält auch einige interessante Erkenntnisse – über rein statistische Arbeitsmarktparameter hinaus. So zeigt sich, dass die Integrationsbemühungen der vergangenen Jahre bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie insgesamt erfolgreich waren, die Integrationschancen innerhalb der extrem heterogenen Gruppe der Geflüchteten jedoch sehr unterschiedlich verteilt sind.
Die Autor*innen der Studie identifizieren wichtige Schlüsselfaktoren, die unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitsmarktintegration ausüben. Auf zwei dieser Faktoren möchten wir im Folgenden näher eingehen:
„Kumulation verschiedener Benachteiligungen“ bei geflüchteten Frauen
Die Beschäftigungsquoten geflüchteter Frauen erreichen nur rund ein Drittel des Niveaus geflüchteter Männer. Das IAB spricht hier von einer „Kumulation verschiedener Benachteiligungen“. Zwar ist nach Angaben der Autorinnen das Bildungsgefälle im Vergleich zu Männern gering, jedoch können beim Zuzug nur halb so viele geflüchtete Frauen Berufserfahrung vorweisen. Eine besondere Rolle spielen zudem die Familienkonstellationen: sehr viel mehr geflüchtete Frauen leben in Haushalten mit Kindern im betreuungsbedürftigen Alter als geflüchtete Männer. Außerdem leiden Frauen häufiger unter traumatischen Fluchterfahrungen. All dies hat zur Folge, dass Frauen später in Deutschkurse und Qualifizierungsmaßnahmen einmünden.
Mit dem Vorurteil, dass vor allem tradierte Rollenbilder der Arbeitsmarktintegration im Wege stehen, räumen die Forscherinnen hingegen auf: die Zustimmung zur Erwerbstätigkeit von Frauen erreicht bei Flüchtlingen geschlechtsübergreifend ähnliche hohe Zustimmungswerte wie bei Deutschen.
Das IAB geht vielmehr davon aus, dass die auch bei Personen ohne Fluchthintergrund vorherrschende familiäre Arbeitsteilung strukturelle Benachteiligungen bedingt, die sich bei der tendenziell höheren Kinderzahl geflüchteter Frauen weiter verstärkt.