Ber­tels­mann-Stu­die: trotz Fach­kräf­te­man­gel set­zen Unter­neh­men nur sel­ten auf Zuwanderung

Trotz der Coro­na-Pan­de­mie hat­te die Mehr­zahl der deut­schen Unter­neh­men im ver­gan­ge­nen Jahr mit Fach­kräf­te­eng­päs­sen zu kämp­fen – und auch für 2021 rech­net die deut­sche Wirt­schaft mit einem unver­än­dert hohen Fach­kräf­te­be­darf. Zu die­sem Ergeb­nis kommt der Ende Janu­ar ver­öf­fent­lich­te „Fach­kräf­te­mi­gra­ti­ons­mo­ni­tor“ der Ber­tels­mann-Stif­tung. Eine Umfra­ge unter Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen aus Unter­neh­men unter­schied­li­cher Grö­ße ergab, dass in 2020 55 % der Unter­neh­men ihre Fach­kräf­te­be­dar­fe nicht decken konn­ten. Auch für 2021 erwar­ten die Befrag­ten kei­ne Besserung.

Die Zuwan­de­rung von aus­län­di­schen Fach- oder Nach­wuchs­kräf­ten als Stra­te­gie gegen den Fach­kräf­te­man­gel spielt für die Betrie­be der­zeit jedoch nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Ledig­lich 17 % der Unter­neh­men mit Fach­kräf­te­eng­pass  haben bis­lang im Aus­land Fach­kräf­te ange­wor­ben. Die meis­ten Unter­neh­men set­zen zunächst auf die Akti­vie­rung des inlän­di­schen Poten­zi­als durch Aus- und Wei­ter­bil­dung (55 %) sowie die bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf (40 %).

Was sind laut der Ber­tels­mann-Stu­die die Ursa­chen für die Zurück­hal­tung beim The­ma Zuwan­de­rung? Für Unter­neh­men, die bereits Erfah­run­gen in der Rekru­tie­rung aus­län­di­scher Fach­kräf­te haben, stel­len danach vor allem sprach­li­che Ver­stän­di­gungs­schwie­rig­kei­ten mit poten­zi­el­len Mit­ar­bei­ten­den (45 %) ein Haupt­pro­blem dar. Auch die Ver­gleich­bar­keit aus­län­di­scher Qua­li­fi­ka­tio­nen macht Pro­ble­me: sowohl die Ein­schät­zung von Qua­li­fi­ka­tio­nen (31,4 %) als auch die Aner­ken­nung aus­län­di­scher Abschlüs­se (27,0 %) sind für Unter­neh­men wesent­li­che Hemm­nis­se. Immer­hin 30,9 % der Unter­neh­men sehen in büro­kra­ti­schen Hür­den und Pro­zes­sen (z.B. der Erreich­bar­keit der Visa-Stel­len im Aus­land) Probleme.

Laut den Autor*innen der Stu­die ist es aller­dings auch um die Attrak­ti­vi­tät Deutsch­lands als Ein­wan­de­rungs­land für aus­län­di­sche Fach­kräf­te nicht zum Bes­ten bestellt. Denn: Zuge­wan­der­te hier­zu­lan­de sind am Arbeits­markt struk­tu­rell schlech­ter gestellt sind als ihre deut­schen Mitbürger*innen.

Zunächst haben Zuge­wan­der­te im Durch­schnitt nied­ri­ge­re Löh­ne und eine höhe­re Arbeits­lo­sen­quo­te. Eine Ursa­che hier­für kann sein, dass sie über­pro­por­tio­nal in Bran­chen, wie dem Gast- und Hotel­ge­wer­be beschäf­tigt sind, in denen unter­durch­schnitt­li­che Löh­ne gezahlt wer­den und eine höhe­re Arbeits­platz­un­si­cher­heit herrscht. Unter­pro­por­tio­nal sind sie hin­ge­gen im öffent­li­chen Sek­tor reprä­sen­tiert. Auch arbei­ten sie deut­lich häu­fi­ger in nicht qua­li­fi­ka­ti­ons­ad­äqua­ten Jobs. Der Stu­die zur Fol­ge ist die Schlech­ter­stel­lung beson­ders gra­vie­rend bei Zuwan­de­rin­nen. So arbei­ten vor allem zuge­wan­der­te Aka­de­mi­ke­rin­nen häu­fi­ger in nicht qua­li­fi­ka­ti­ons­ad­äqua­ten Jobs als ihre deut­schen Kolleg*innen. Zudem sind ins­ge­samt nur gut 25 % der aus­län­di­schen Fach­kräf­te weiblich.

Die Forscher*innen iden­ti­fi­zie­ren somit zwei wesent­li­che Hand­lungs­fel­der für künf­ti­ge Stra­te­gien zur Begeg­nung des Fach­kräf­te­man­gels: ers­tens müs­se die Inwert­set­zung aus­län­di­scher Qua­li­fi­ka­tio­nen ver­bes­sert wer­den, zwei­tens sind die Poten­zia­le aus­län­di­scher Frau­en erheb­lich zu nut­zen. Andern­falls dro­he dem deut­schen Arbeits­markt künf­tig wich­ti­ge Res­sour­cen ver­lo­ren zu gehen. 

Wei­te­res bis­lang noch nicht aus­rei­chend genutz­tes Fach­kräf­te­po­ten­zi­al sehen die Autor*innen der Stu­die in Per­so­nen, die bis­lang einen Auf­ent­halts­ti­tel zu ande­ren Zwe­cken besa­ßen (z.B. Stu­di­um), und nun in eine Auf­ent­halts­er­laub­nis zu Erwerbs- oder Aus­bil­dungs­zwe­cken wech­seln möchten.